Nach Schillers "Die Jungfrau von Orleans"
Idee, Entwicklung, Spiel: Luise Haberlah
Wer ist sie denn, die Unbezwingliche,
Die Schreckensgöttin, die der Schlachten Glück
Auf einmal wendet, und ein schüchtern Heer
Von feigen Rehn in Löwen umgewandelt?
Eine Gauklerin, die die gelernte Rolle
Der Heldin spielt, soll wahre Helden schrecken?
Diese Frage, die im Original der englische Feldherr Talbot stellt, während die Franzosen, angeführt von einem kriegerischen Mädchen, unverhofft des nachts sein Heer überfallen, soll einmal in den Mittelpunkt gerückt werden.
Wer ist sie denn, die „Schreckensgöttin“, die sich aus einem Leben, in dem Tristesse und Machtlosigkeit den Alltag bestimmen, ihren Weg in die Bedeutsamkeit sucht?
Wie kann eine junge Hirtin an einem Tag ihre Schafe weidend auf der Wiese stehen, und am nächsten die bedeutendste Person des Landes sein?
Schiller, der selbst nicht unbedingt Sympathie für seine Hauptfiguren aufbringen musste, um ihnen ein Stück zu widmen – beispielhaft sein „Wallenstein“, dessen Protagonist ihm persönlich so fremd war, dass er ihm „kaum eine Neigung abgewinnen kann“ (so geschrieben in einem Brief 1796) – schenkte jedoch der legendären Heiligen Jeanne d’Arc ein Stück, in dem sie zweifelsfrei im Auftrag einer höheren Macht handelt, mit übermenschlichen Kräften Kämpfe gegen erfahrene Soldaten für sich entscheidet und für ihr Land brennt – wenn auch nur im übertragenen Sinne. Denn anders als die historische Johanna, endet die Figur nicht auf dem Scheiterhaufen, sondern „darf“ tapfer als Märtyrerin auf dem Schlachtfeld sterben. Es ist unverkennbar, dass Schiller die Heilige und ihren Mut hochleben lassen will.
„Schillers Jungfrau“ aber versucht zu verstehen, welche Beweggründe, welches Ego tatsächlich hinter einer selbsternannten Gottgesandten stecken könnten, einer „Gauklerin, die die gelernte Rolle der Heldin spielt“, und warum das Streben nach Bedeutung sowohl Figur als auch Künstler betrifft.
Luise Haberlah